Im Zuge des weltweiten Kampfes gegen den Klimawandel stehen Unternehmen unter dem Druck, ihre Umweltleistung zu verbessern. Strategien zur Verringerung von Emissionen, zur Einsparung von Wasser oder zur Umstellung auf erneuerbare Energien scheinen eine naheliegende Lösung zu sein. Was aber, wenn die Maßnahmen, die Sie umsetzen wollen, sich negativ auf ein anderes Umweltziel auswirken?
Um Nachhaltigkeit in Ihrer Strategie zu verankern, müssen Unternehmen sicherstellen, dass ihre Geschäftstätigkeit den Umweltzielen der EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten keinen erheblichen Schaden zufügt (DNSH).
Dieser Artikel untersucht, wie die DNSH-Kriterien anzuwenden sind, damit Ihre Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels maximale Wirkung zeigen und gleichzeitig Investitionen zugunsten Ihres nachhaltigen Erfolgs fördern.
Was ist die EU-Taxonomie?
Mit dem Green New Deal und europäischen Initiativen für eine nachhaltige Finanzwirtschaft rücken Nachhaltigkeitsmanagement und -berichterstattung immer mehr in den Fokus. Die EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten bildet hierbei das Fundament für grünes Wachstum und klimafreundliche Investitionen. Dieses wichtige Klassifizierungssystem gibt Anlegerinnen und Anlegern Aufschluss darüber, ob eine wirtschaftliche Aktivität ökologisch nachhaltig ist.
Für diejenigen, die nachhaltig investieren möchten, stellt die EU-Taxonomie dar, ob ein Unternehmen Umweltstandards und -richtlinien wie das Pariser Abkommen zum Klimawandel einhält. Unternehmen wiederum hilft sie bei der Feststellung, ob ihre Aktivitäten klimafreundlich sind. Durch die Einhaltung der Standards können sie Investitionen und nachhaltiges Wachstum fördern.
Um zu beurteilen, ob eine Tätigkeit tatsächlich nachhaltig ist, definiert die EU-Taxonomie sechs zentrale Umweltziele, die Unternehmen anstreben sollten:
- Eindämmung des Klimawandels
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Bekämpfung von Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
Was ist das DNSH-Prinzip?
Zur Angleichung an die Taxonomie müssen Sie nicht nur belegen, dass Ihre Tätigkeit einen wesentlichen Beitrag zu einem der oben genannten sechs Hauptziele leistet. Entscheidend ist auch der Nachweis, dass sie keinem der anderen fünf Ziele erheblich schaden.
Dabei geht es in erster Linie darum, dass sich eine ökologisch vorteilhafte Tätigkeit nicht negativ auf andere Umweltziele auswirken darf. Dies ist wichtig, denn in der Vergangenheit hat eine vermeintliche Lösung für ein Nachhaltigkeitsproblem nicht selten andere Probleme verursacht oder die Erreichung anderer Ziele beeinträchtigt.
Das „Tank-Teller-Dilemma“ ist hierfür ein Paradebeispiel: Die Verwendung von Biomasse als Biokraftstoff oder für biobasierte Materialien konkurriert mit dem Anbau von Nahrungsmitteln und könnte die weltweite Hungerkrise sogar verschärfen. Dies ist ein klassisches Beispiel für einen Zielkonflikt.
Wie sind die DNSH-Kriterien anzuwenden?
Eine Möglichkeit, mit Zielkonflikten im Kontext der Nachhaltigkeit umzugehen, ist das Prinzip „Do No Significant Harm“. Anhand der folgenden Auditfragen können Sie feststellen, ob Ihre Tätigkeiten die DNSH-Kriterien gemäß den sechs Zielen der EU-Taxonomie erfüllen:
1 Eindämmung des Klimawandels
- Könnte die Maßnahme zu erheblichen Treibhausgasemissionen führen?
2 Anpassung an den Klimawandel
- Wird die Maßnahme negative Auswirkungen des Klimawandels verstärken?
- Könnten diese Auswirkungen die Maßnahme selbst oder Mensch, Natur oder Vermögenswerte beeinträchtigen?
3 Nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen
- Ist davon auszugehen, dass die Maßnahme den guten Umweltzustand oder das ökologische Potenzial von Gewässern mindert?
4 Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Könnte die Maßnahme zu einem erheblichen Anstieg der zu behandelnden Abfälle führen? (außer bei nicht verwertbaren gefährlichen Abfällen)
- Könnte sie zu erheblichen Ineffizienzen bei der Ressourcennutzung führen? (z. B. durch kürzere Haltbarkeit oder Betriebsdauer, geringere Demontage-, Reparatur-, Nachrüstungs- oder Recyclingfähigkeit oder höheren Schadstoffgehalt)
- Könnte sie im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft zu erheblichen oder langfristigen Umweltschäden führen?
5 Vermeidung und Bekämpfung von Umweltverschmutzung
Könnte die Maßnahme zu einer erheblichen Freisetzung von Schadstoffen in Luft, Wasser oder Boden oder zu anderen Umweltschäden führen?
6 Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
- Könnte der gute Zustand oder die Resilienz von Ökosystemen erheblich beeinträchtigt werden?
- Könnte die Maßnahme dem Erhaltungszustand von Lebensräumen oder Arten schaden?
Bei der Auswertung der Antworten auf diese Kontrollfragen sollten Unternehmen jedes Umweltziel einzeln betrachten.
So führen Sie eine DNSH-Bewertung durch
Für eine effektive Berichterstattung über DNSH-Kriterien müssen Sie eine zweistufige DNSH-Bewertung durchführen.
Im ersten Schritt beantworten Sie die Fragen zu den einzelnen Umweltzielen wie oben beschrieben. Wenn die Antwort auf eine der Fragen „Nein“ lautet und die Tätigkeit als unschädlich eingestuft wird, müssen Sie eine kurze Begründung angeben.
Diese soll verdeutlichen, warum das Ziel keine substanzielle DNSH-Bewertung erfordert, in der Regel mit einem der folgenden Argumente:
- Die Maßnahme hat keine oder nur unwesentliche vorhersehbare Auswirkungen auf das Umweltziel.
- Die Maßnahme ist zu 100 % nachverfolgbar.
- Die Maßnahme leistet einen wesentlichen Beitrag zum Umweltziel der Taxonomieverordnung.
Wenn die Antwort auf eine der Fragen des DNSH-Audits „Ja“ lautet, gehen Sie zum zweiten Schritt über, in dem Sie eine stichhaltige Analyse und Begründung dafür liefern, dass Ihre Maßnahmen und Tätigkeiten zu einem oder mehreren der Umweltziele beitragen – ohne dabei mit einem der anderen fünf Ziele der Liste in Konflikt zu stehen.
Wird keine Begründung vorgelegt, kann die EU-Kommission zu dem Schluss kommen, dass die Maßnahme möglicherweise mit einem erheblichen Schaden verbunden ist.
Nachhaltige Investitionen fördern
Der EU Green Deal zielt darauf ab, den Einfluss des Finanzsektors zu nutzen, um die Klimaziele der Europäischen Union zu erreichen. Früher oder später wird auch Ihr Unternehmen diese Hebelwirkung spüren und einen Beitrag zur ökologischen Transformation leisten müssen. Nachhaltigkeit lässt sich jedoch nicht von heute auf morgen in die Unternehmensstrategie integrieren. Eine bestehende Strategie auf die EU-Taxonomie abzustimmen, kann ein langwieriger Prozess sein. Daher sollten Sie frühzeitig damit beginnen.
Durch die rechtzeitige Integration von DNSH-Konzepten stellen Sie die Weichen für eine Taxonomie-Anpassung und eine umfassende Umwelt-, Sozial- und Governance-Berichterstattung (ESG). Beides kann in Zukunft über Ihren Zugang zum Finanzmarkt entscheiden. Indem Sie Ihre Geschäftstätigkeit auf der Grundlage der DNSH-Prinzipien bewerten, erkennen Sie das Potenzial für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg und leisten damit einen Beitrag zum Erfolg der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG).